Vipern

Eine mörderische Begierde in 4 Akten

Die Oper erfordert ein komplett anderes kompositorisches Denken als ein Orchesterwerk. Komponieren überhaupt ist wohl nur in zwei Kategorien einzuteilen: Komponieren mit und ohne Text. Das Komponieren einer Oper erzwingt in jedem Moment der Komposition eine Haltung zu den drei großen Fragen der Textbehandlung: Arbeite ich mit, gegen oder für den Text.
Ein komplexes Werk vereinigt alle drei Komponenten, bzw. bewegt sich in ständigem Wechsel dieser Komponenten – ein Umstand, der beim Komponieren eines instrumentalen Werks nicht existiert und damit eine völlig andere Problembewältigung der künstlerischen Aussage aufwirtt. VIPERN ist ein sehr archaisches Werk, in dem sich alles um unterdrückte, auszulebende und explodierende Liebe dreht. Das Libretto habe ich zusammen mit Tim Coleman geschrieben.
Ich sehe den Stoff wie ein wildes Tier, das – in einem Käfig eingeschlossen – bedrohlich leise und manchmal fauchend seine Bahnen zieht, wobei der Betrachter in ständiger Angst hoffend bangt, er möge das Tier im Käfig halten können. Im übertragenen Sinne wird dies, so hoffe ich, die musikalische Summe meiner Oper sein.
Hierfür benötige ich einen speziellen Klang, der gänzlich ohne Schlagwerk, Harfe, Klavier oder sonstige Tasteninstrumente auskommt: Ich verwende hier ausschließlich Bläser und Streicher. Die Sänger erwachsen aus dem Orchesterklang, welcher sich wiederum aus den Gesangsstimmen heraus entwickelt. Alles ist miteinander verwoben, und da Sänger, Bläser und Streicher über äußerst wesensverwandte Tongebung und Tonschöpfung verfügen, stände jeder perkussiv erzeugte Klang meiner Konzeption eher störend gegenüber.

Christian Jost