Taipei Horizon

für Orchester

Mein zweimonatiger Sommeraufenthalt in Taipei als „Composer in Residence“ des National Symphony Orchestra Taiwan erlebte ich wie im Breitwandformat. Tag und Nacht 35 Grad, dazu 95% Luftfeuchtigkeit verpflanzten mich in leibhaftiges Cinemascope. Weil ich jede Sekunde genoss, intensivierte ein Minimum an Schlaf das ohnehin intensive Erleben. Ich komponierte drei, vier Stunden am Tag und versuchte all das zu filtern: die Hitze, die Feuchtigkeit, das Tempo. Was Geist und Seele aufnahmen, sollte dort nicht verweilen, sondern gleich tönend umgesetzt werden. Dabei ist Taipei Horizon erstaunlich tonal geworden, wohl, weil ich ständig versuchte, den unendlichen Eindrücken eine klare Form zu verleihen, was zu ebenso fugalen wie übereinander geschichteten Themen und Motiven führte, die manchmal regelrecht aufeinanderknallen.

Christian Jost