Phoenix resurrexit

Odyssee in vier Teilen Textzusammenstellung von Christian Jost und Oliver Buslau für Sprecher, Sopran, Chor und Orchester

Phoenix Resurrexit ist für mich in vielerlei Hinsicht ein besonderes Werk. Nicht nur weil die Entstehung des Stücks sich auf etwa vier Jahre erstreckte, sondern auch, weil Phoenix resurrexit sich während seiner Entstehung als unendliches Arsenal der gesamten Palette von Höhen und Tiefen eines kreativen Schaffensprozesses entblößte. So wurde der Titel zum kompositorischen Programm aus wiederkehrender Zerstörung, Schöpfung und Erneuerung, mit einer einzigen Konstante: Nichts hätte mich davon abbringen können, den Phoenix zu schreiben. Im Laufe der vier Jahre entrückte das Stück in weitere Ferne als das Sternbild des Pegasus, um dann wieder Mondesnah greifbar zu sein,um sich am Ende als Erfüllung eines Kindheitstraumes zu entpuppen.

Dieser Traum begann 1969: Mit meiner Mutter erlebte ich siebenjährig die Mondladung vom heimeligen Wohnzimmer aus. Beim Eintauchen der „Apollo 11“-Kapsel in den Pazifischen Ozean stand mein Entschluss fest: Ich wollte Astronaut werden. Die in diese Zeit fallenden Familienurlaube in die Alpen und die damit verbundene acht bis zehnstündige Autofahrt, zwangen mich allerdings zu einem radikalen Umdenken. Denn welcher zukünftige Astronaut konnte sich ein konstantes Erbrechen in einem VW-Kombi erlauben? So wurde ich Komponist.
Tugend und Fluch der kompositorischen Arbeit ist es, Unbekanntes und Eigenwilliges faszinierend erlebbar zu machen. Dabei taucht man in so manchen fremden – nicht immer schwerelosen – Raum, was auf einige wenige Hörer allerdings ähnlich menschenfeindlich wirken kann wie das All dem Astronauten. Der Musik Klänge zu entlocken, die eine Odyssee bereithalten, die der Komponist spannend nachzeichnet, ist Aufgabe und Anliegen meiner gesamten kompositorischen Arbeit. Phoenix resurrexit hat hierbei die intensivste Auseinandersetzung meines bisherigen Schaffens eingefordert.

„…die Geschichte der Schöpfung, gepaart mit dem Mythos des Vogels Phoenix und erlebt durch die Augen eines Astronauten…“

Als ich die erste Idee hatte, ein größeres Werk zu komponieren, das die Schöpfung, aus Sicht von Astronauten und durch die Erkenntnisse der Raumfahrt, neu beleuchtet, haben Oliver Buslau und ich entsprechende Texte ausfindig gemacht. Durch mein tieferes Eindringen in das Thema hat sich die Spreu vom Weizen immer wieder neu getrennt und Phoenix resurrexit ist eine, auf das Wesentlichste reduzierte Konzentration geworden.

So hat der Sopran die eindeutige Rolle des Phoenix erhalten, jenem sich ständig erneuernden mythischen Vogelwesen. Seine sich wiederholenden Worte erscheinen während der Handlung an den unterschiedlichsten Plätzen. So wird er zum metaphorischen Sinnbild und verkörpert im zeitgleichen Moment: mythische Exotik und Liebe, den Beginn der Entdeckung des Unendlichen und die drohende Gewissheit der Apokalypse.

Dem Urgedanke von Schöpfung folgend, diesem permanent stattfindenden Zustand, zeitgleicher Kreation und Zerstörung von Leben, habe ich eine entsprechende Handlung geschaffen, die ich als Odyssee in vier Teilen bezeichnet habe. Aufgabe des Sprechers ist es dabei, diese vierteilige Odyssee verinnerlicht zu tragen und zu verdeutlichen.

Bei aller Komplexität des Themas und der musikalisch verwendeten Strukturen, ist der rote Faden, die übergeordnete Dramaturgie des Ganzen eine Art symphonische Großform, bestehend aus einer Exposition, einem Adagio, einem Scherzo und einem apotheotischem Finale. Hierbei erklingen die jeweiligen musikalischen Bausteine, aus denen das ganze Netz gewebt ist,in immer wieder unterschiedlichen dramaturgischen Momenten, werden in ständig veränderte Zusammenhänge gestellt, beleuchten den selben Gedanken in anderem Kontext und verleihen dem gesagt erklungenem, eine jeweils unterschiedliche Deutung.

Im Umfeld des Phoenix resurrexit sind noch zwei weitere Werke entstanden, deren musikalisches Material den Phoenix beeinflusst hat und es, ihrer eigenen Dynamik folgend, weiterentwickelt haben:

Rhapsody Nr. II – Der Gesang des Phoenix für Violine und Klavier
Sinfonia – Der Traum des Phoenix für Orchester

Das verbindende Element aller drei Werke sind nicht diverse Klänge und Töne, sondern die Faszination Schöpfung und ihre im zeitgleichen Moment stattfinde Zerstörung und Erneuerung.

-Christian Jost

Dem Text liegen Zitate aus verschiedenen Interviews und Reiseberichten folgender Astro- und Kosmonauten zugrunde: John Glenn Jr. (USA) – Aleksadr Wolkow (UdSSR) – Dumitru Prunariu (Rumänien) – James Irving (USA) – Walerij Rjumin (UdSSR) – Shugderdemydin Gurragtschaa (Mongolei) – Robert Gibson (USA) – Swetlana Sawizkaja (UdSSR) – Anatolij Beresowoj (UdSSR) – Neil Amstrong (USA), Apollo 11, Mondlandung 1969 – Gagarin (UdSSR) an Bord der Wostok 1, 1961.
Außerdem:
Die Bibel – Schöpfungsgeschichte Polynesiens – Ägyptisches Totenbuch, Phoenix Mythos – Ovid, Metamorphosen – Hildegard von Bingen, Mythische Texte der Gottesordnung – Conrad Ferdinand Meyer, Möwenflug – Joseph Conrad, Das Herz der Finsternis – Richard Rhodes, Trinity oder Der Montag, der die Welt veränderte – Victor Segalen, Klangstein